Im Herbst 2021 hatte Maren Friedlaender ihren Roman „Der Löwe Gottes“ in der Reihe „Lesung und Gespräch“ am Stiftischen Gymnasium vorgestellt. Es war ein besonderer Abend, an dem auch seitens des aufmerksamen Publikums viele interessante Fragen gestellt wurden und sich ein gutes Gespräch mit der Autorin entwickelte. Am 1. Juni 2022 war die in Köln lebende Autorin nun erneut zu Gast am Stift, um ihr jüngstes Buch vorzustellen: „Schweigen über Köln“.
Erinnert wird in diesem Kriminalroman an die Geschichte rund um die Entführung und Ermordung des ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten und Vorsitzenden des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Hanns Martin Schleyer. Denn am Kölner Stadtwald liegt ein unbekannter Toter, genau dort, wo 1977 Arbeitgeberpräsident Schleyer von der RAF entführt wurde. Kommissarin Theresa Rosenthal und Kollege Bär stehen vor der Frage: Ist der Tatort Zufall oder besteht eine Verbindung zu den RAF-Morden? Eine Spur führt ins dänische Nordschleswig zu einem Ex-Stasi-Major. Durch die Ermittlungen rumort es in der einstigen RAF-Sympathisantenszene. Gibt es einen RAF-Täter, der sich entschlossen hat zu reden? Kommissarin Rosenthal muss aber auch alte Wunden bei den Opfern aufreißen.
Anhand geschickt ausgewählter Textpassagen führte Maren Friedlaender ihr Publikum an den Fall sowie an die historischen Zusammenhänge heran. Aus unterschiedlichen Perspektiven näherte sie sich der Thematik, nämlich aus der Sicht der Kommissarin, der Opfer, der Täter und deren Eltern. Zudem wurden Fragen aufgeworfen: Warum kam es offensichtlich zu Fahndungspannen? Welche Rolle spielte die Stasi im Kontext mit den Aktivitäten der linksextremistischen Roten Armee Fraktion (RAF)? Wie verhielten sich Sympathisanten nach den Mordanschlägen? Wie verlief die politische, wie die strafrechtliche Auseinandersetzung mit dem Terrorismus?
Die Erinnerungen an den Deutschen Herbst, der durch Anschläge der RAF geprägt war, waren bei einigen der Besucherinnen und Besucher der Lesung noch sehr präsent. Die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ und deren spektakuläre Befreiung in Mogadischu, die Fahndungsplakate, die allerorts hingen, die Polizeikontrollen im Rahmen von Rasterfahndungen, all dies kam auch in der anschließenden, von Dr. Achim Jaeger moderierten, sehr lebendigen Diskussion zur Sprache. Intensiv tauschten sich vier Generationen zu diesem dunklen Kapitel der Geschichte aus. Immerhin stellt die Terrorwelle 1977 den Höhepunkt einer der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik dar: Die Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback, der Mord an Jürgen Ponto, dem Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank, die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers.
Stefan Aust hat in seinem Buch „Der Baader-Meinhof-Komplex“ über die RAF all dies ausführlich dokumentiert. Trotzdem bleiben bis heute Fragen offen, die zum Teil die Aufklärung von Tathergängen, aber auch die Herangehensweisen zur Aufarbeitung der Geschichte des Terrorismus in der Bundesrepublik und die Verarbeitung des von der RAF erzeugten Traumas betreffen. So erinnerte Maren Friedlaender beispielsweise daran, dass für Detlev Karsten Rohwedder, den 1991 von der RAF ermordeten ehemaligen Präsidenten der Treuhandanstalt, Manager und Politiker, erst im April 2022 eine Gedenktafel vor dem Haus in Düsseldorf-Niederkassel installiert wurde, in dem er erschossen wurde. Der Todesschütze ist bis heute unbekannt, der Mord ungesühnt.
Am Ende der Veranstaltung gab Maren Friedlaender noch einen Hinweis auf weiterführende Literatur zum Thema: „Die Rote Armee Fraktion. Eine Geschichte terroristischer Gewalt“ von Petra Terhoeven, Historikerin an der Universität Göttingen (und übrigens Absolventin des Stiftischen Gymnasiums). Für die Besucherinnen und Besucher der Lesung war es, ebenso wie für die Autorin Maren Friedlaender, die zum Abschluss ihre Bücher signierte, ein spannender Abend. Zu dessen Gelingen trugen erneut die Mitarbeiterinnen der Schülerbücherei bei, die den Büchertisch ansprechend gestalteten. Ein Dank gilt auch der Technik-AG, die wie immer für den guten Ton im Hause sorgte.