Der 1985 geborene Journalist und Autor Takis Würger ist mit seinem Aufsehen erregenden Buch „Stella“ zum diesjährigen Sieger des Euregio-Schüler-Literaturpreises gewählt worden. Auch die Bücher der anderen Autorinnen und Autoren (Leila Slimani: „Das Land der Anderen“, Delphine de Vigan: „Loyalitäten“, Toine Heijmans: „Pristina“, Tommy Wieringa: „Santa Rita“, Monika Helfer: „Die Bagage“) hatten viele Stimmen erhalten, doch Takis Würger hatte mit seiner außergewöhnlichen virtuellen Lesung, die im Online-Format aus Südostasien übertragen wurde und im anschließenden offenen Gespräch mit den Jugendlichen aus Belgien, Deutschland und den Niederlanden gepunktet.
Beim Festakt, der am 24. Mai 2022 im Raum für Kunst der Sparkasse Aachen in der Elisengalerie stattfand, hatten die anwesenden Schülerinnen und Schüler aus der Euregio erstmals die Möglichkeit, den Autor, der aus Berlin angereist war, persönlich zu treffen. Nach der Eröffnung durch Ina Engelhardt und Dr. Oliver Vogt unterbreitete Sylvie Schenk, Initiatorin des Euregio-Schüler-Literaturpreises und selbst renommierte Autorin, ihre Gedanken zum diesjährigen Wettbewerb. Im Anschluss hielten Bauke Evers, Viv Zimmermanns und Gwain Heijnders (Charlemagne College Eijkhagen), Maeva Pirotton und Autore Talbot (Collège Saint-Louis, Liège) und Marie Wimmer (Stiftisches Gymnasium Düren) ihre Laudationes auf den Autor. Ihre Wahlentscheidung begründete Marie Wimmer dabei wie folgt:
Lieber Takis Würger,
in Verbindung mit dem diesjährigen Euregio-Schüler-Literaturpreis war „Stella“ das erste Buch, das ich las. Unser Lehrer hatte uns als Einführung in den Wettbewerb einen Einblick in die Handlung des Buches gegeben und ich habe mich unter anderem deswegen entschieden mitzumachen, weil ich Ihr Buch schon allein von der Erzählung her spannend fand. Für mich war das ein Einstieg in diesen Wettbewerb, der mir die Ungewissheit nahm, ob ich daran Freude haben könnte und mir die ausgewählten Bücher überhaupt gefallen würden.
In „Stella“ wird die wahre Geschichte der Jüdin Stella Goldschlag erzählt, die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in Berlin untergetauchte Juden und Jüdinnen an die Gestapo verriet, um ihre Familie zu retten. Erzählt wird die Geschichte von einer erfundenen Figur, Friedrich, der 1942 aus der Schweiz nach Berlin kommt, um aufregende Erfahrungen zu sammeln und sich dort in Kristin verliebt, die eigentlich Stella heißt. Im gesamten Roman werden die verschiedenen Charaktere von Friedrich und Stella immer wieder gegenübergestellt.
Der subjektive Erzähler tritt dabei ruhig und zurückhaltend auf, wohingegen Stella als extrovertierte Jazzsängerin eine aufgeschlossene und abenteuerlustige Person ist. Dieser Kontrast macht jegliche Interaktion der beiden Figuren und auch den Verlauf der Handlung so spannend. Gleichzeitig ist Friedrich als „Tourist“ in Berlin ein Außenstehender, der das Geschehen anders wahrnimmt und verarbeitet. Deswegen ist es sehr interessant, etwas über seine subjektive Wahrnehmung zu erfahren und die Handlung mit seinen Augen zu sehen.
Ihrem Buch liegen historische Gerichtsakten zugrunde, in denen von verschiedenen Fällen mit Stella Goldschlag als Zeugin berichtet wird. Durch fiktionale Einschübe und fiktive Charaktere, wie sie uns mit dem Ich-Erzähler Friedrich oder dem SS-Mann Tristan von Appen entgegentreten, mischen sich in Ihrem Roman jedoch Realität und Fiktion. Diese Verschmelzung lässt den/die Leser*in auf besondere Weise in die Vergangenheit eintauchen.
Ich distanziere mich, was die Gestaltungsweise betrifft, ausdrücklich von der zum Teil harten Kritik, die Sie bezüglich Ihres Romans bekommen haben. Für mich wird Stella keinesfalls verfremdet oder „falsch“ dargestellt. Es ist ein gutes Maß an dem, was den wahren Begebenheiten von Ihnen als Autor hinzugefügt wird und der/die Leser*in hat die Möglichkeit, sich eine eigene Meinung bezüglich Stella Goldschlag zu bilden und zu entscheiden, inwiefern für sie Sympathie bzw. Empathie empfunden werden sollte oder nicht.
Lieber Herr Würger,
Sie erzählen in ihrem Roman von einer wichtigen Geschichte und vor allem von einem sehr wichtigen Thema, an das sich jeder von uns erinnern sollte und das immer noch aufgearbeitet werden muss. Vielleicht macht auch gerade die Kontroverse um Ihren Roman diesen eben zu so einem guten und wertvollen Buch. Für mich haben Sie deswegen den Euregio-Schüler-Literaturpreis 2022 definitiv verdient. Herzlichen Glückwunsch!
Tanja Wansel und Stefanie Lamm von der Bürgerstiftung für die Region Aachen der Sparkasse Aachen überreichten alsdann den mit 5.000,- Euro dotierten Preis in Gestalt eines übergroßen Schecks an Takis Würger. Ausgezeichnet wurden zudem Goverdien Hauth-Grubben und Daniel Mirsky, die den Roman ins Niederländische und ins Französische übersetzten. Takis Würger dankte in seiner frei gehaltenen Dankesrede den Schülerinnen und Schülern für ihr Votum und für die Auszeichnung, die für ihn eine sehr große Bedeutung habe. Das Preisgeld werde er der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Verfügung stellen.
Nach dem offiziellen Teil gab es einen kleinen Empfang, bei dem es auch Gelegenheit zum persönlichen Gespräch mit dem Autor gab, der auch gerne seine Bücher signierte. Marie Wimmer, Lilia Schneider und Letisha Hoyer nutzten diese Gelegenheit ebenso wie ihre Lehrer Dr. Achim Jaeger, Dr. Thomas Rubel und David Wysk. Die drei bei der Preisverleihung anwesenden Schülerinnen werden, ebenso wie Anne Bergmann, Eva Freialdenhoven und Anna Marie Schmitz ein Zertifikat über die Teilnahme an diesem spannenden Wettbewerb erhalten.