Das afrikanische Volk der Tchokwe, das in Zentralafrika am äußersten Rand Angolas und der Demokratischen Republik Kongo lebt, hat eine Ornamentalkunst hervorgebracht, die in Zusammenhang mit der traditionellen Erzählkunst steht: Ein Erzähler markiert eine Reihe von Punkten im Sand und zeichnet, während er eine dazu passende Geschichte erzählt, mit dem Zeigefinger Linien um die betreffenden Punkte, wodurch eine geschlossene Figur Gestalt annimmt. Dabei wird der Finger niemals abgesetzt, vielmehr kehrt er an seinen Ausgangspunkt zurück.
Georg Holländer, der sich als Mathematik- und Physiklehrer in besonderem Maße für Ethno-Mathematik interessiert, bot am 17. Januar 2019 bei seinem Vortrag in der Reihe „Mint-Talks“ etwa 30 jungen Zuhörern eine kompakte Einführung in die Welt der unendlichen Linien und animierte sie sofort dazu, es einmal selbst mit dem Zeichnen einer ununterbrochenen Linie um vorgegebene Punkte zu versuchen. Die interessierten Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5, 6 und 7 machten sich mit Begeisterung ans Werk. Die jungen „Picassos“ – auch Pablo Picasso nutzte die Technik der ununterbrochenen Linie für Zeichnungen – erstellten SONA-Bilder in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, wobei die Motive variierten.
Vom einfachen Vogel führte der künstlerische Weg weiter zur anspruchsvolleren Antilope, zu fliegenden Enten und schließlich zu einem Leoparden. Das Arbeiten mit SONA machte offensichtlich viel Spaß, erforderte von den Teilnehmern aber auch Konzentration und Ausdauer. Nach einer Stunde kreativen Schaffens waren viele SONA-Bilder entstanden und die Nachfrage nach weiteren Motivvorlagen war groß. Die Ethno-Mathematik bietet über zeichnerische Herausforderungen hinaus auch zahlreiche Anreize, Mathematik in soziale und kulturelle Kontext einzubinden.