Eine Reise ins Unbekannte stand vor fünfhundert Jahren dem Kanonier Hannes aus Aachen bevor, als er mit dem Generalkapitän Ferdinand Magellan, der sich im Auftrag der spanischen Krone daran machte, eine Westroute zu den Gewürzinseln zu finden, in See stach. Am 22. Januar 2020 erzählte nun der österreichische Autor Raoul Schrott in der Aula des Stiftischen Gymnasiums seinen Zuhörern auf lebhafte Weise „Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal“. Der Titel passte hervorragend zu dem Literaturabend, da Raoul Schrott nunmehr zum dritten Mal der Einladung zu einer Lesung in der Reihe „Lesung und Gespräch“ gefolgt war, wofür Dr. Achim Jaeger als Moderator herzlich dankte.
In Düren bot der einfallsreiche Schriftsteller nicht nur Kostproben aus seinem aktuellen Roman, sondern plauderte auch aus dem Nähkästchen, berichtete humorvoll über die merkwürdige Entstehungsgeschichte des Buches, das seine Existenz einem nicht realisierten Filmprojekt verdankt. Die präsentierten Textpassagen aus der „Geschichte des Windes“, die an die Erzähltradition barocker Schelmenromane wie Grimmelshausens „Simplicissimus“ anknüpft, vermittelten dem aufmerksamen Publikum einen faszinierenden Einblick in die Welt der Seefahrer, die zur Zeit der Entdeckungsfahrten von mancherlei Gefahren, Abenteuern, Entbehrungen und Nöten geprägt war.
Auch den Leser des schön aufgemachten Buches lässt Raoul Schrott nachempfinden, wie schwierig die Navigation auf hoher See seinerzeit war. Denn so wie den konkurrierenden Spaniern und Portugiesen auf ihren Expeditionen genaue Karten fehlten, muss sich der Leser bei der Lektüre ohne Seitenzahlen im Buch orientieren, wobei die Kapitelzählungen gleichsam Rettungsanker sind. Auf der Bühne veranschaulichte Raoul Schrott anhand einer Weltkarte die Seewege, die Magellan und auch der Kanonier Hannes einst nahmen und führte dabei auch vor Augen, wo die Episoden der „Geschichte des Windes“ jeweils spielen. Die Abenteuer des Öcher Hannes (in den Quellen Juan Aleman genannt) vermittelt der Roman in einer Mischung aus Archivrecherchen und munterer Fabulierlust, wobei der Autor alle Register der barocken Sprache zieht. Als Zuhörer und Leser spürt man, dass es dem Schriftsteller – wie dieser auch selbst bekannte – viel Freude bereitet haben muss, diesen Roman zu schreiben.
Durch die eloquente, lebendige und gewitzte Art seines Vortrags zog der Erzähler die begeisterten Zuhörer auf unnachahmliche Weise in seinen Bann und entfaltete ein anschauliches Bild von der Welt, wie sie sich vor einem halben Jahrtausend darstellte. Die Gefahren, die in unbekannten Gefilden lauerten, wurden dabei ebenso greifbar wie die Entbehrungen der Seeleute oder die immense Bedeutung von Muskatnüssen, Nelken und all jener wertvollen Gewürze, nach denen Kaufleute wie die Fugger ebenso begierig waren wie die europäischen Fürstenhöfe. Die Mentalität der Menschen jener Tage, das Streben nach Repräsentation, Macht und wirtschaftlichem Erfolg wurden erkennbar, wenn Raoul Schrott weit ausholte, Informationen verknüpfte und historische Zusammenhänge erläuterte.
Es war ein rundum gelungener, gleichsam unterhaltsamer wie lehrreicher literarischer Abend mit Raoul Schrott, der vom Verein der Freunde und Förderer des Stiftischen Gymnasiums und der Bürgerstiftung Düren unterstützt wurde. Am Ende der Lesung hatten die Zuhörer Gelegenheit, Fragen zu stellen, mit Raoul Schrott ins Gespräch zu kommen und sich von ihm Bücher signieren zu lassen.