Elf Monate im Gefängnis wegen Flucht aus der Scheindemokratie der Deutschen Demokratischen Republik. Ein Fall, den Christa Teiner am eigenen Leib erleben musste. Ein Fall, der nach Ungerechtigkeit schreit. Ein Fall, mit dem sich Oberstufenschüler des Stiftischen Gymnasiums am Morgen des 12. März 2013 befassten.
Ursprünglich aus dem Schwarzwald stammend, zogen Christa Teiners Eltern nach Magdeburg, wo sie im Jahre 1939 geboren wurde und aufwuchs. In ihrer Jugend in der Kirche aktiv und zunächst auch nicht mit dem Gedanken behaftet, die DDR zu verlassen, erlebte sie den Weggang ihres Bruders in die BRD. Nur wenige Zeit danach wurde sie spontan und völlig unbedacht zum Kurier für eine Fluchtorgansiation. Im September 1964 wurde die damalige Studentin der Medizin und der Bibliothekswissenschaft zusammen mit zwei anderen Frauen bei der Flucht aus der DDR verhaftet. Acht Monate verbrachte Frau Teiner in der Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen in Berlin. Das ehemalige sowjetische Speziallager wurde 1951 vom Ministerium für Staatssicherheit übernommen und diente als Gefängnis für tausende politisch Verfolgte. Keine physische, aber die psychologische Folter sei belastend gewesen, erzählte Frau Teiner. Anekdoten vom „Klopfen“ von Nachrichten an die Zellwände (zum Beispiel das Schummeln bei der Angabe ihrer BH-Größe gegenüber ihrem männlichen Zellnachbarn) brachten die Schüler zum Schmunzeln, andererseits schockierte sie die beschriebene Hilflosigkeit und Isolation der Häftlinge.
Wegen „Fluchthilfe in schwerem Fall und eigener Flucht“ verurteilte man sie zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, die sie bis zu ihrem Freikauf im August 1965 verbüßen musste. Davon verbrachte sie zwei Monate im Frauengefängnis Hoheneck in Sachsen, in dem sie die Aufgabe einer medizinischen Helferin einnahm.
Mit Hilfe eines Unterhändlers der DDR des so genannten Häftlingsfreikaufes, dem Anwalt Wolfgang Vogel, gelangte Christa Teiner letztendlich nach elf Monaten in den Westen. Zwischen 1964 und 1989 konnten über 30.000 andere politische Häftlinge von dieser inoffiziellen Transaktion zwischen BRD und DDR profitieren.
Hervorzuheben ist vor allem Frau Teiners heutige Meinung zu ihrem Werdegang. Die Schüler interessierten sich natürlich dafür, ob sie ihre Kuriertätigkeit bereue. Sie verneinte dies entschieden. Obwohl der Gefängnisaufenthalt natürlich alles andere als schön gewesen sei und er sie auch einschneidend verändert habe, so hätte dieser Prozess sie aber in den Westen gebracht. Sie konnte sofort wieder anfangen zu studieren, wurde von ihrer Familie im Schwarzwald aufgenommen und lernte kurze Zeit später auch ihren Mann kennen. Einer gewissen „Verniedlichung“ der DDR will sie mit ihrer Aktivität als Zeitzeugin vorbeugen. Die DDR sei kleinkariert und verbissen gewesen, völlig weltfremd und bestimmend. In einem Staat, in dem man nicht einmal anziehen kann was man möchte, könne sie heute nicht mehr leben. „Das Regime wollte ein Volk, das einfach folgt und nicht hinterfragt. Oder am besten eins, was gar nicht denkt. Nach dem Mauerfall waren meine Freundinnen aus Magdeburg etwa 50 Jahre alt und fingen jetzt erst an zu leben. Ein Glück, dass ich in einem Land lebe, dass mir schon immer diese Möglichkeit gegeben hat“, schließt Christa Teiner ihren Vortrag. Ein Schlusswort, welches uns auffordert immer wieder die Prinzipien dieses vergangenen Regimes zu hinterfragen…
Julia Weißhaupt für den LK Geschichte der Jahrgangsstufe Q2 (Herr Klemm)