„Er ist kein Reporter im überkommenen Sinn, der recherchiert, interviewt und dann seinen Bericht schreibt. Er ist kein Essayist, der sich informiert und dann abstrakt analysiert, Er gehört auch nicht zu den Autoren, die das, was man herablassend die Arbeitswelt zu nennen beliebt, zum Gegenstand von Romanen und Erzählungen macht. […] Wallraff hat eine andere Methode gewählt, er dringt in die Situation, über die er schreiben möchte ein, unterwirft sich ihr und teilt seine Erfahrungen und Ermittlungen in einer Sprache mit, die jede „Überhöhung“ vermeidet, sich nicht einmal des Jargons bedient, der ja als poetisch empfunden werden könnte.“ So charakterisierte Heinrich Böll schon 1970 die Arbeits- und Schreibmethode Günter Wallraffs, dessen Bücher Millionen Leser finden.
Durch seine Recherchen wurde der 1942 geborene Schriftsteller und Journalist Günter Wallraff international bekannt, wobei er sich meist mit anderer Identität in das unmittelbare Kernumfeld des Reportage-Ziels einschleust. Auf diese Weise entstehen immer wieder außergewöhnliche und viel diskutierte Dokumentationen, die auf Grund persönlicher Erfahrungen soziale Missstände anprangern und versuchen, neue Einblicke in die Funktionsweise der Gesellschaft zu vermitteln. Junge Journalisten nehmen sich häufig an ihm ein Vorbild. Im Schwedischen und Norwegischen existiert übrigens das Verb „wallraffa“ bzw. „wallraffe“ für den typischen Wallraff´schen Recherchestil.
Reportagen über diverse Großunternehmen, vor allem über die „Bild-Zeitung“ und verschiedene Institutionen verschafften dem Autor eine breite öffentliche Resonanz. Zu nennen sind hier etwa „Industriereportagen“ (1970), „Ihr da oben, wir da unten“ (1973) und „Der Aufmacher“ (1977). Seine Reportage „Ganz unten“ (1988), bei der Wallraff in einem Stahlwerk in die Rolle des türkischen Arbeiters Ali schlüpfte, war mit über fünf Millionen verkauften Exemplaren einer der größten Erfolge in der deutschen Buchhandelsgeschichte.
Im Winter 2008/2009 begab sich Günter Wallraff unter Menschen, die alles verloren haben: Ihren Beruf, ihr Geld, ihre Bleibe, ihre Familie. Für seine Reportage „Unter null“ im ZEITmagazin hat er am eigenen Leibe erfahren, wie Obdachlose in Deutschland leben, und berichte auch am Stift. sehr eindrücklich darüber.Günter Wallraff war danach wieder undercover unterwegs und seine neuesten Reportagen standen am 27. März 2012 im Mittelpunkt einer Abendveranstaltung am Stiftischen Gymnasium. Nach der Begrüßung des prominenten Gastes durch Dr. Achim Jaeger, der den Autor den zahlreichen Zuhörern zunächst vorstellte und die Veranstaltung moderierte, wurden bei „Lesung und Gespräch“ mit Günter Wallraff wurden – dank der professionellen Unterstützung der Technik-AG (besonderer Dank gilt hier Timo Vaut und Florian Arpe) – zunächst Ausschnitte aus dem preisgekrönten Dokumentarfilm „Schwarz auf weiß“ gezeigt. Der Autor las im Anschluss daran Passagen aus seinem aktuellen Buch „Aus der schönen neuen Welt“ (2009), wobei die Arbeit in einem Call-Center in den Mittelpunkt gerückt wurde. Darüber hinaus berichtete detailliert über seine verschiedenen „Expeditionen ins Landesinnere“. Nach der Lesung entwickelte sich ein reges Gespräch und eine spannende, zum Teil kontroverse Diskussion darüber, wie damit umzugehen sei, dass in einem reichen Land heute immer mehr Menschen „ganz unten“ leben, was die Gesellschaft zu zerreißen droht. Kritikfähigkeit, Ermutigung zum Widerspruch in Situationen von Ungerechtigkeit und die Wirksamkeit von Öffentlichkeit sind für Günter Wallraff zentrale Inhalte seiner Arbeit, die er auch den zahlreichen jungen Zuhörern zu vermitteln wusste: „Öffentlichkeit ist der Sauerstoff der Demokratie.“ Während der Autor am Ende des Abends Bücher signierte, ergaben sich noch weitere Gespräche mit dem Publikum.
Die interessante Veranstaltung, die durch die Unterstützung des Vereins der Freunde und Förderer des Stiftischen Gymnasiums und der Bürgerstiftung Düren ermöglicht und vom Bücherei-Team und der Thalia-Buchhandlung unterstützt wurde, wird allen Besuchern in wacher Erinnerung bleiben.