Kleiner Mann – was nun? Eine Revue nach Hans Fallada
Das Stück spielt Ende der zwanziger Jahre in Deutschland: ein Land in der Krise. Im Mittelpunkt: ein junger Mann und eine junge Frau, frisch verliebt.
Als das junge Paar, „Lämmchen“ (eigentlich Emma Mörschel) und Johannes Pinneberg, sich bei einem Frauenarzt Rat zum Thema Verhütung holen will, ist es schon zu spät: Emma ist bereits schwanger. Nun gut, man schaut nach vorne.
Emma stammt aus kleinen Verhältnissen, die Familie im Blaumann schaut argwöhnisch auf den Mann an ihrer Seite, der ihnen mit seinem Anzug als Vertreter der „besseren“ Kreise erscheint. Auch das soll das junge Glück nicht stören.
Der Chef Pinnebergs macht seinen Leuten das Leben schwer, Pinneberg jedoch genießt einen Schutzraum, den er nicht verspielen will: der launische Chef sieht in seinem jungen Angestellten eine Chance, seine Tochter unter die Haube zu bringen. Der junge Ehemann verschweigt daher seine Eheschließung. Die Sache fliegt jedoch auf, Johannes verliert seine Arbeit. Auch diese Krise übersteht die junge Familie.
Hoffnungsvoll zieht sie nach Berlin, wo die Mutter Pinnebergs lebt und Arbeit und Unterkunft verspricht. Dort angekommen, stellt sich heraus, dass die Mutter eine etwas halbseidene Dame ist, ihm aber auf unergründlichen Kanälen über ihren dubiosen Liebhaber Jachmann eine Anstellung in einem Herrenbekleidungsgeschäft verschaffen kann. Eine solche Anstellung in Zeiten der Wirtschaftskrise ist Gold wert. Also Glück gehabt, alles wird gut …
Dann kommt der Sohn Murkel zur Welt – und mit dem, was eigentlich das Glück des jungen Paares perfekt machen könnte, kommt wieder Unglück in die Welt. Der übernächtigte Vater erfüllt nicht die Erwartungen, die an ihn als Verkäufer gestellt werden. Er erreicht das monatliche Verkaufssoll nicht, das die Verkäufer zu Höchstleistungen antreiben soll – und verliert wieder seine Stelle. Pinneberg stürzt ab.
Die zwei Literaturkurse der Jahrgangsstufe 12 unter Leitung von Robert Will und Anne Schiffer stellten nach einem Dreivierteljahr eine Version von Falladas Roman „Kleiner Mann – was nun?“auf die Bühne, die einerseits eine flotte Revue und gleichzeitig ein ergreifendes Stück mit tragischem Ausgang war.
Das Publikum erfreute sich an der wunderbaren musikalischen Untermalung (es jazzte und swingte hinter der Szene, dass es eine Freude war), genoss die Schönheit der Revuegirls, die schrille Halbseidenwelt mit ihrer Federboa, amüsierte sich über kleine Hirne im braunen Hemd, eitle Schauspieler, angepasste Geschäftsinhaber, skurrile Erotikclubs …
Es verfolgte betroffen den Niedergang eines jungen Glücks in schlechten Zeiten, in denen menschliche Schwäche umso deutlicher hervortritt. Charakter wäre gefragt, zu sehen sind jedoch biegsame Rücken, gebrochene Wirbelsäulen, tragische Figuren.
Bemerkenswerte Leistungen zeigten die Schüler auf vielen Ebenen, bis in die Nebenrollen hinein war das Stück gut besetzt. Ihr darstellerisches Talent zeigten die jungen Schauspieler im komischen wie im ernsten Fach. Dass so mancher Schüler die Bühne ausfüllte, das Publikum mitnahm und sogar manchmal die Fiktion vergessen ließ, verdankt sich sicher einmal der (spürbaren) Spiellust, dem Mut, in die andere Haut zu schlüpfen, bis sie passt, und dem Vertrauen, das die Darsteller in ihre Schauspiellehrer und Regisseure haben mussten. Dass dieses Vertrauen gerechtfertigt war, zeigt die Aufführung, für die das Publikum allen Teilnehmern nur danken kann. So sei es: Danke für diesen schönen Theaterabend!
Dr. C. Winkelmann