Die Prager deutschsprachige Literatur und vielfältige Aspekte der deutsch-jüdischen Literaturgeschichte waren Themen eines Vortrags, den Professor Dr. Hans Otto Horch am 19. April auf Einladung von Dr. Achim Jaeger am Stiftischen Gymnasium in einem Deutsch-Leistungskurs hielt. Der Referent hatte von 1992 bis 2009 die Ludwig-Strauß-Professur für Deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte an der RWTH Aachen inne und hat zum Themenfeld der deutschsprachigen Literatur jüdischer Autoren seit dem 18. Jahrhundert zahlreiche Veröffentlichungen vorgelegt.
Ausgehend von den Anfängen der Prager Siedlungsgeschichte – schon im 9. und 10. Jahrhundert ließen sich jüdische und deutsche Kaufleute nieder, um 1230 wurde Prag zur Residenzstadt des Königreichs Böhmen und im 14. Jahrhundert als Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches zu einem politisch-kulturellen Zentrum Mitteleuropas – und der Gründung der ersten deutschsprachigen Universität in Prag skizzierte der renommierte Wissenschaftler Entwicklungslinien der Prager Literatur und zeigte Verknüpfungen mit der europäischen Kulturgeschichte auf.
Dabei hob er auch das bis heute noch von Gotik, Barock und Jugendstil geprägte Stadtbild der „Goldenen Stadt“ hervor und nahm insbesondere das jüdische Viertel mit dem berühmten jüdischen Friedhof in den Blick, wo auch Umberto Ecos jüngstes Buch handelt. Besonders interessiert zeigten sich die Schüler an der Legende vom Golem, jener menschenähnlicher Gestalt aus Lehm, das vom legendären Rabbi Löw durch Magie zum Leben erweckt worden sein soll und angeblich besondere Kräfte besaß, um dem bedrängten Volk der Juden von Prag zu helfen und es von den immer wieder vorgebrachten Anwürfen zu befreien, es verübe Ritualmorde.
Aus der Gruppe bekannter deutsch-schreibender Autoren der Moldaustadt wurden besonders Max Brod, Franz Werfel und Rainer Maria Rilke vorgestellt, wobei dann ein Schwerpunkt auf Leben und Werk des heute alle dominierenden Franz Kafka gelegt wurde. Am Ende des Vortrags bestand – im Kontext eines bereits mehrjährig laufenden Denkwerk-Projektes der Boschstiftung, das zwischen Schule und Universität einen fruchtbaren Austausch fördert – Gelegenheit, aktuelle Fragen zum Studium der Germanistik an den ehemaligen Hochschullehrer zu stellen.
Da Franz Kafka einer der Autoren der Weltliteratur ist, deren Werk besonders intensiv und zugleich kontrovers diskutiert wurde, wird Professor Hans Otto Horch wird am 19. Juni 2012 einen öffentlichen Vortrag am Stiftischen Gymnasium halten. Dabei kommen alle nur möglichen Perspektiven zur Sprache: theologische ebenso wie existentialistische und philosophische, formbezogene ebenso wie sozialgeschichtliche. Seit geraumer Zeit hat man die jüdische Perspektive auf Kafkas Werk in das Zentrum interpretatorischer Bemühungen gerückt, einen Bereich, der Kafkas Leben wie sein Schreiben bestimmt hat. Im Vortrag steht diese Perspektive im Mittelpunkt, wobei biographische Gesichtspunkte ebenso behandelt werden wie das poetische Werk.
Durch freundliche Unterstützung durch die Dürener Bürgerstiftung und den Förderverein des Stiftischen Gymnasiums beträgt der Eintritt zu diesem interessanten öffentlichen Vortrag, der um 19.30 Uhr im Musiksaal stattfinden wird, 4 Euro. Für Schüler ist der Eintritt frei.